Digital Natives

Digital Natives – Eigenheiten einer Generation

Nun ist es glücklicherweise soweit und Sie können in Ihrem Unternehmen endlich die benötigte Verstärkung begrüßen.  Zwei der berühmten “Digital Natives Generation” stehen vor Ihnen.  Jenna mit braunen Locken, Filzhut, zerrissenen Jeans und Ben mit dicker Brille, Tattoos vom Hals bis zu den Fingerspitzen und Plug im Ohr. Beide haben einen Uniabschluss und haben mit ihrer Bewerbung und ihrem Lebenslauf überzeugt.  Alles bestens. Trotzdem sind Sie sehr gespannt, wie die Zusammenarbeit vonstattengehen wird.  Schließlich haben Sie schon oft gehört, dass diese Generation  komplett gegensätzlich zur vorhergehenden Generation, die Ihre langjährigen Belegschaft bilden, sind.

Doch ist das wirklich so? Oder sind die Digital Natives einfach nur eigen? Ist der Ruf der ihnen vorauseilt gerechtfertigt oder sollte man kritisch damit umgehen? In diesem Beitrag nehmen wir sie unter die Lupe.

Woher stammt der Begriff Digital Natives?

 2001 erschien in der wissenschaftlichen Zeitschrift „On the Horizon“ ein Essay von Marc Prensky. Der Artikel des US-amerikanischer Autors, Lehrers und Managers hat den Titel „Digital Natives, Digital Immigrants“.

Gleich die Einleitung des Essays lässt einen etwas schmunzeln, da Prensky feststellt, dass der durchschnittliche Hochschulabsolvent weniger als fünftausend Stunden gelesen hat, dafür aber über zehntausend Stunden Videospielerfahrung vorweisen kann. (Die Zwanzigtausend Stunden Fernsehen erwähnt er ebenfalls am Rande.)

Er schreibt, dass Videospiele, E-Mail, Internet, Handys und Instant Messaging ein fundamentaler Teil des Lebens der „Net-Generation“ oder wie er sie nennt der „Digital Natives“ ist.

Er beanstandet, dass das Bildungssystem der USA nicht ausreichend auf diese Generation eingehen könne, da Lehrer und Schüler nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Laut Prensky verändert sich durch die unterschiedliche Mediennutzung die Gehirnstruktur und damit auch die Denkmuster. Er schließt daraus, dass Informationen anders verarbeitet und aufgenommen werden, als bei bisherigen Generationen. Folglich ergibt sich für Prensky, dass die Lehrer nicht über nötigen Methoden verfügen, um Wissen zu vermitteln.

 

Definition der Digital Natives? 

Hier scheiden sich die Geister. Die einen meinen die erste Generation der Digital Natives am Geburtsjahr festzumachen zu können. Laut dieser Definition wird die Generation, die ca. 1980-2000 aufgewachsen ist, als Digital Natives bezeichnet. Sie sind mit digitalen Medien und den damit eingebundenen Konzepten und Technologien groß geworden und konnten auf diese, je weiter die Jahre voranschritten, uneingeschränkt zugreifen und sie nutzen.

Andere kritisieren die zeitliche Fixierung und führen an, dass der natürliche Umgang mit Computern, digitaler Kommunikation und Social Media auch in anderen Generationen gängig ist. Laut dieser Erklärung definiert sich ein Digital Native über Art und Weise, wie mit Medien und Technik umgegangen wird und weniger über das Alter oder die Genration.

Welche Eigenheiten haben sie nun, die Digital Natives?

Das „Manifest der Digital Natives“, erschien im Buch DNAdigital, in dem die Autoren die Welt aus der Sicht der N-Generation erklären.

Die vorangegangene „Fernseh-Generation“ wird in diesem Manifest als (Be-)Sucher des Internets beschrieben, wohingegen die Digital Natives als (Be-)Nutzer dargestellt werden. Sie leben die Interaktivität und sehen sie als geistige Erweiterung der Realität mit dem Ziel mehr Offenheit in der Gesellschaft zu erreichen.

Virtualität ist ein Teil der neuen Realität

Die N-Generation sehen die Virtualität als Erweiterung der realen Welt. Das Denken und Fühlen wird durch sie erheblich beeinflusst. Die Auswirkungen dieser unsichtbaren Welt sind so enorm, dass man sie auf physischer und psychischer Ebene in der realen Welt deutlich spürt.

Ein Vorurteil beschreibt die Internet-Generation als Flüchtlinge vor der Wirklichkeit, doch die Digital Natives kontern damit, dass sie am erweiterten Teil der Realität des 21. Jahrhunderts teilnehmen.

 

Digital Natives nutzen globale interaktive Arbeitsgruppen

Die Millennials fordern die digitale Öffnung und Modernisierung der Arbeitswelt. Ein Begriff, der immer wieder fällt, ist das Crowdsourcing. Es setzt sich aus den Wörtern Outsourcing, also Auslagerung von Aufgaben an Dritte und Crowd, (in  diesem Fall eher) dem Kollektiv zusammen.  Die kollektive Intelligenz soll, dank der digitalen Vernetzung, überall und jederzeit genutzt werden. Digital Natives gehen davon aus, dass dadurch für nahezu jedes Problem eine Lösung gefunden werden kann. Die Arbeit muss dazu nur für alle öffentlich zugänglich sein. Radikal? Nun, man rechtfertigt dies damit, dass viele Ideen, die vielleicht die Welt verändern könnten, irgendwo in den untiefen eines „grey office“ verloren oder gar gestorben sind.

N-Generation will Relikte aus alten Zeiten revolutionieren

Es stößt vielleicht manchen alteingesessenen “Alles-bleibt-wie-es-ist-Denkern” in der Führungsetage sauer auf, doch ein neun-bis-fünf-Uhr Job ist ein Relikt aus alten Zeiten. Veraltete Arbeitsmodelle bremsen Digital Natives aus, da diese global in unterschiedlichen Zeitzonen kommunizieren und arbeiten. Wer einen N-Generation für sein Unternehmen begeistern will, muss sich mit Punkten wie ortsunabhängigem Arbeiten, Mitbestimmung, Vertrauen, motivierenden Herausforderungen und ergebnisorientierter gerechter Bezahlung (um nur einige zu nennen) auseinandersetzten.

 

Digital Natives suchen privates und berufliches Wachstum

Diese Generation wünscht sich persönliches Wachstum. Nicht nur beruflich oder privat, nein, in beidem und manchmal sogar gleichzeitig. Digital Natives trennen Job und Privates nicht im Vorhinein strickt. Sie wählen eine Stelle nach ihrem persönlichen Wertesystem aus. Das heißt Werte lassen sich auf Privates und den Job anwenden. Ein Arbeitgeber sollte für sie immer die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung bieten. Natürliche Voraussetzungen sollten ein motivierendes Arbeitsumfeld, Offenheit und Transparenz sein. Ausschlaggebend ist auch der wertschätzende und soziale Umgang mit der Belegschaft.

Weltbürger der ersten globalen Generation

Die Forderungen dieser Generation könnten bei Umsetzung das Ende der bisher gekannten Welt nach sich ziehen. Beispielsweise fordern sie den freien Zugang zu allen steuerlich geförderten Forschungsergebnissen und Lernmaterialien. Freie Wissensressourcen sollen auf- und ausgebaut, erhalten und für jeden verfügbar gemacht werden. Neue Medien werden als Chancen zum globalen Informationsaustausch sowie zur Ver- und Bearbeitung begrüßt. Die Millennials sehen sogar für den partizipativ-demokratischen Kosmopolitismus eine Chance.

Social Media Recruiting

 

Digital Natives (be)leben den Kulturraum Internet

Das Internet ist für diese Generation mehr ein Sozial-und Kulturraum. Im Manifest der Digital Natives heißt es:

„Im Rahmen der Legalität und manchmal auch im konstruktiven Diskurs mit dieser, sind wir hier (im Internet) die Exekutive, ist unsere Moral die Judikative und unser Code die Legislative. Eine vierte Gewalt wählen wir durch unsere Aufmerksamkeit.“

 Als soziale Relevanz werden die Chancen zum Erfahrungs- und Informationsaustausch, der gemeinsamen Bewertung und Empfehlungen aus den unterschiedlichen globalen Netzwerken gesehen.

Damit der „Lebensraum“ der Digital Natives weiter existieren kann, setzten sie auf frühzeitige Nutzung technischer Innovationen. Und sie geben Feedback, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Ein Digital Native für Ihr Unternehmen

Nun wird’s knifflig. Sie haben bestimmt schon erkannt, das diese Generation ziemlich anspruchsvoll ist. Es reicht nicht, nur eine Website zu haben oder auf Social-Media-Kanälen präsent zu sein. Unternehmen müssen „natürlich“ kommunizieren. Das heißt, Sie müssen gut vernetzt sein, direkt und transparent auf allen Kanälen kommunizieren.

Weiters ist es für Digital Natives wichtig, einen Sinn im Job zu sehen, den sie machen. Sie geben sich nicht mit weniger zufrieden und wechseln den Arbeitgeber, wenn der Job nicht ihren Vorstellungen entspricht. Eine Umfrage ergab sogar, dass für diese Generation Freiraum und Flexibilität wichtiger ist, als das dreizehnte Monatsgehalt.

Veraltete Technologien frustrieren die jungen Talente und vielfältige Tätigkeiten die Herausforderung und Verantwortung mit sich bringen, sind ein Muss. Natürlich strebt so eine selbstbewusste Generation nach persönlicher Entwicklung. Ein Unternehmen, das sich einen Digital Native ins Haus holt, muss Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten und die persönliche Entwicklung fördern.

Die Kommunikation steht ebenfalls ganz oben auf der Liste eines Youngsters: „Outside, inside and between the boxes.“

Einblick in die Arbeitsweise der Digital Native? 

Beispiel für die Arbeitsweise eines Digital Natives: Ein echter digitaler Ureinwohner wechselt beim Arbeiten zwischen den unterschiedlichen Kanälen und Endgeräten hin und her. Tablet, Computer, Handy. E-Mails checken, Postings auf Facebook, Instagram etc. liken und kommentieren, WhatsApp und YouTube für zwischendurch, Netflix als Hintergrundgeräusch und als Hauptaufgabe eine wissenschaftliche Arbeit fürs Studium. Für Digital Natives easy.

Multitasking ist die Routine der Digital Natives. Sie trainieren das ja bereits von klein auf und sind es gewohnt, mehreren Dingen gleichzeitig Aufmerksamkeit zu schenken. Wie man sieht, macht diese Generation ihrem Namen alle Ehre. Sie sind einfach immer und überall connected. Hierarchische Strukturen lehnen sie ab. Langwieriges Durchforsten von Oldschool Ordnern oder E-Mails treibt sie an den Rand des Wahnsinns.

Digital Natives sind in der Lage, ändernde Gegebenheiten früh zu erkennen oder sich rasch anzupassen. Gibt es ein Problem, finden sie schneller und kreativer eine Lösung. Sie begrüßen sogar wechselnde Aufgaben und Rollen.  Auch Projekte mit internationalen Teams, (manchmal im Ausland, lieber aber im Inland) übernehmen sie gerne.

 

Was kritisiert man bei der Digital Natives Ära?

Psychologen sprechen davon, dass es sich bei der Digital Natives Bewegung um eine geschickt eingefädelten Marketingstrategie handelt. Eltern soll ein gutes Gefühl vermittelt werden, wenn sie ihren Kindern dabei zusehen, wie sie an Handys und Tablets eifrig „wischen und drücken“.  Das Ganze dürfen sie dann als  technikaffin loben. Schließlich soll auch diese Generation eines tun: Das Rollen des Rubels sichern.

Etwas, das nur selten zur Sprache kommt ist nämlich, dass nicht nur die erste Internet User Generation groß geworden ist. Die erste Generation der Internet-Analytiker, der Datensammler, Datenauswerter, Algorithmenschreiber und der berüchtigten „überwachenden Augen“ ist ebenfalls herangewachsen. Individualisiertes Marketing oder zielgruppengesteuerte Produktplatzierungen für die Gewinnoptimierung großer Unternehmen und Konzernen wäre ohne sie nicht möglich.

Interessant ist, dass Kritik in manchen Fällen gar nicht die Digital Natives erhalten, sondern die, die diese Generation zu Digitalen-Gurus machen. Technisch „uneingeweihte“ Menschen, die dazu beitragen, dass die Generation selbst ihre Fähigkeiten falsch einschätzt.

Hierzu gibt es erschreckende Beispiele: Jugendliche, denen keine Alternative zu WhatsApp einfällt oder die nicht wissen, dass es andere Browser oder Suchmaschinen zu den bereits vorinstallierten gibt.

Als sorglos und always happy gelten die „naiven“ Digital Natives. Ob sich jemand in dieser Generation überhaupt die Frage stellt, wer eigentlich Server, Datenbanken, Hochleistungsrechenzentren und Innovationen so großzügig finanziert, ohne dass scheinbar Mehrkosten für sie aufkommen, ist fraglich.

Manche Kritiker zeichnen ein düsteres Bild für die Zukunft dieser Gesellschaft, da die Generation „Kann isch Whatsapp, bin isch Internet!“ die Auswirkungen der digitalen Technik nicht zu interessieren scheint.

 

Fazit

Natürlich hat jede Generation ihre Eigenheiten. Gott sei Dank, sonst würde es bedeuten, dass keine Entwicklung stattgefunden hat. Abzuwarten bleibt allerdings, welche sich durchsetzten. Ob sich die Behauptung aus dem Manifest der Digital Natives, dass sich durch Interaktivität und Vernetzung Transparenz aufbauen lässt, bewahrheitet, sollten wir im Auge behalten. Und auch, ob das Internet sich zu Recht als Leitmedium einer postmodernen, gerechten Gesellschaft etabliert hat, sollte von uns kritisch beobachtet und betrachtet werden.